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Endlich Fisch… ääääh, Arbeit!

Heute morgen habe ich (Jere) mit meinem Job in der Fischfabrik begonnen. Da dies der erste Arbeitstag war und ich erst noch mit Kleidung ausgestattet werden musste, sollte ich bereits um 5:30 Uhr dort sein. Normale Arbeitszeiten betragen: Mo-Fr, 6 – 14:30 Uhr, 30 Minuten Mittagspause. Es gibt mit 13,18$/h etwas mehr als den Mindestlohn (12,50$). Nach 20 Schichten bekommt man dann 13,86$/h. Jeden Tag gibt es 7,50$ Schichtzulage. Für (freiwillige) Überstunden bekommt man 1,5-faches Gehalt und für (freiwillige) Wochenendarbeit sogar das doppelte.

Die Fima, bei der ich begonnen habe, stellt jedes Jahr zwischen Juni und September viele zusätzliche Leute ein, da in dieser Zeit Hoki-Saison ist. Der Hoki, auch „Blauer Seehecht“ oder „Neuseeländischer Langschwanz-Seehecht“ genannt, kommt hauptsächlich in den pazifischen Gewässern rund um Neuseeland vor und kann Größen von bis zu 120 cm erreichen. Das weiße Fleisch des Hoki findet z.B. Verwendung im FischMac bzw. Fillet-O-Fish von McDonald’s™ und wird hierzulande oft als Fish&Chips-Fisch gegessen. Der Rogen des Hoki gilt vor allem in Asien geräuchert als Delikatesse.
Der Hoki steht auf Greenpeace’s roter Liste der Fische, die ein hohes Aussterbe-Risiko durch nicht nachhaltigen Fischfang haben. Die neuseeländische Regierung bestreitet das.


Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Hoki

Leider sind auf dem gesamten Produktionsgelände Handys verboten, deshalb habe ich im Folgenden mal meinen heutigen und wahrscheinlich auch für die nächste Zeit täglichen Arbeitstag zusammengefasst.

4:30 Uhr – Aus meinem Handy ertönen die Klänge von Ronan Keatings „When you say nothing at all“ und reißen mich aus meinem Schlaf. Ich schnappe mir den Kulturbeutel, mein Handtuch und meine Klamotten (gestern im Second-Hand Shop gekauft), gehe ins Bad und nehme eine kurze aber erfrischende Dusche zum Wachwerden. Danach schnell das letzte Stück der Pizza, die Claudi gestern aus dem Restaurant mitgebracht hat, in die Mikrowelle schieben, nochmals kurz ins Zimmer, den Autoschlüssel holen, die verbrannte Pizza aus der Mikrowelle holen und wegschmeißen und eine Schüssel CocoPops™ essen. Danach geht’s ab in die Kälte.

5:15 Uhr – Ich stehe vor dem Auto und frage mich, wie ich ohne Eiskratzer oder CD-Hülle die Windschutzscheibe freibekommen soll. Wer rechnet in Neuseeland schon mit Frost 😀 Ein kurzer Griff in eine unserer großen Aufbewahrungsboxen im Van fördert eine Spülbürste zu Tage – oder besser gesagt zu Nachte. Besser als nichts denke ich und beginne, die Front- und Seitenscheiben zu schrubben.

5:20 Uhr – Ich sitze im Auto und fahre nach Instrumenten, da die Sicht irgendwie gestört ist. Zwischendrin stecke ich meinen Kopf immer wieder aus dem Fenster, da ich mich doch nicht ganz auf die Instrumente verlassen möchte.

5:25 Uhr – Ankunft am Hafen von Nelson bei einem global agierenden Seafood-Unternehmen. Vor dem Haupttor treffe ich Birdie und Clive – sie Maori, er Kiwi, beide so zwischen 50 und 60 Jahre alt. Die beiden hatte ich bereits am vorhergehenden Tag bei einer einstündigen Einführungsveranstaltung mit anschließendem Formular- und Papierkrieg kennengelernt. Die beiden sind genauso müde und trotzdem gespannt wie ich.

5:30 Uhr – Wir werden von einer Mitarbeiterin, Annie, abgeholt und in die Kleiderkammer geführt, wo wir mit uns kurzärmligem Oberteil, Hose, Baumwoll-Handschuhen, Haarnetz und für mich speziell Bartnetz ausstatten – alles in weiß. Danach geht es ins Magazin, wo wir weiße Gummistiefel, Fell-Einlagesohlen, Gehörschutz und ein Vorhängeschloss für unseren Spind bekommen.

5:55 Uhr – Nachdem wir uns umgezogen und unsere Spinde häuslich eingerichtet haben ;), treffen wir uns mit Annie und einer weiteren Mitarbeiterin, Bet, in der Cafeteria. Dort holen wir uns einen Kaffee/Latte/Mocca/Heiße Schokolade/Tee (alles gratis) und setzen uns gemeinsam an einen Tisch, wo wir Sicherheitsregeln, Notfallpläne und Arbeitsabläufe beigebracht bekommen, die wir anschließend in einem Mini-Test wiedergeben müssen.

7:30 Uhr – Bet führt uns über das Fabrikgelände – immer innerhalb der gelben Linien, die die Walkways markieren – zur sogenannten Wetfish-Factory, dem Gebäude, in dem frischer Fisch verarbeitet wird. Dort müssen wir mit unseren Gummistiefeln durch ein kleines Schuh-Bad laufen, um keinen Schmutz in die Produktionsstätte zu tragen. Bet zeigt uns die Händewaschprozedur, die uns sowohl am vorhergehenden Tag als auch bei der Erklärung der Arbeitsabläufe eingebläut wurde: wash – rinse – dry – sanetize. Danach schnappen wir uns ein Paar blaue Vinyl-Handschuhe, die wir über die baumwollenen ziehen, desinfizieren diese und marschieren in die Produktionshalle. Viele Fließbänder, an denen verschiedenste Dinge wie ausnehmen, schuppen, filetieren u.a. gemacht werden.

7:45 Uhr – Bet übergibt uns in die Hände von Gemma, unseres Supervisors und direkten Vorgesetzten. Gemma führt uns zu unserem Arbeitsplatz, einem kleinen Stück Fließband, auf dem der Rogen der Fische vorbeifährt. Bevor wir uns jedoch ans Fließband stellen, ziehen wir uns noch eine Plastikschürze über, damit wir uns nicht komplett einsauen. Danach zeigt uns Gemma, dass sich auf den meisten Rogen weiße, madenähnliche Parasiten von 1-3 cm Länge festgesaugt haben. Sie sagt das wäre normal und erklärt uns, dass unsere Aufgabe darin besteht, diese Parasiten vom Rogen zu zupfen und zu entsorgen.


Nummer 7 ist der Rogen. Quelle: http://www.suz-mitte.de/naturforscher/forscher_fisch_innere_organe.htm


So ähnlich sehen die Parasiten aus. Quelle: http://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/hechtbandwurm.htm

8:00 Uhr – 15 Minuten Frühstückspause. Wir werfen unsere Plastikschürzen und Vinyl-Handschuhe in den Müll und Clive und ich gehen in die Cafeteria, wo wir uns ein Sandwich und einen Gratis-Mocca genehmigen (der übrigens für Automatenkaffee echt top schmeckt). Danach geht’s wieder ans Fließband zum Parasiten-Zupfen – natürlich nach der Händewasch-, Handschuh- und Schürzenprozedur.

9:00 Uhr – Ein lautes Tröt-Signal ertönt und alle Förderbänder halten an. Clive und ich sehen uns fragend um. Eine dicke Maori-Dame, die uns am Fließband gegenüber steht, ruft uns zu, dass es Zeit für eine Micro-Pause ist und wir uns dehnen und bewegen sollen. Diese Pausen finden jede Stunde statt, um Muskelverspannungen vorzubeugen. Dankbar beginnen wir, unsere Muskeln zu dehnen, zu entspannen und ein wenig herumzulaufen. Nach 3 Minuten geht das Fließband wieder an und wir zupfen wieder.

10.00 Uhr – 15 Minuten Raucherpause. Ich setzte mich mit einem Gratis-Mocca in die Sonne und entspanne meinen Rücken, der langes Stehen nicht gewöhnt ist.

12:00 Uhr – 30 Minuten Mittagspause. Ich gehe in die Cafeteria, kaufe mir eine Portion Fish&Chips (hmmm, frisch!) und geselle mich zu Clive an den Tisch. Dieser erzählt mir, dass er bereits verschiedenste Jobs vom Pubbesitzer über Touristenführer im schönen Doubtful Sound bis hin zum Seemann auf einem Fischkutter hatte.

12:30 Uhr – Zurück in der Wetfish-Factory gibt Gemma mir die Aufgabe, Schachteln zu falten und diese mit abgewogener Ausschussware vom Rogen-Band zu füllen. Die 7,5kg-Schachteln staple ich auf einem Gitterwagen.

14:30 Uhr – Nach weiteren Micro-Pausen ist nun endlich Feierabend. Ich ziehe mich um und fahre zurück ins Hostel. Endlich Wochenende! 😀

Fazit: Die Arbeit hört sich ekliger an, als sie in Wirklichkeit ist. Die Rogen sehen aus wie ein geädertes Hähnchenbrustfillet und fühlen sich auch so an. Wenn mal ein Rogen aufplatzt (passiert ständig), dann wird’s etwas etwas glitschig und ein kaviarähnlicher Brei läuft über das Band. Ist aber nicht weiter schlimm. Der Geruch hält sich in Grenzen, da es sich um fangfrischen Fisch handelt. Die Parasiten sind zwar nicht besonders appetitlich, da man aber Handschuhe trägt, ist das alles kein Problem. Es läuft den ganzen Tag Radio und zwar in einer Lautstärke, die man auch durch den Gehörschutz gut hört. Dadurch ist es nicht ganz so langweilig.
Die Firma an sich macht einen guten Eindruck. Man wird als neuer Mitarbeiter professionell und routiniert eingelernt und bekommt hierbei auch viele Informationen über die Firma. Sicherheit wird hier groß geschrieben. Man bekommt gefühlte zehnmal erzählt, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um Unfälle zu vermeiden.
Die Cafeteria ist relativ günstig und es schmeckt ordentlich. Zumindest Fish&Chips und Sandwiches 🙂 Kostenlose Heißgetränkeautomaten und Wasserspender stehen auf dem ganzen Firmengelände.

Ich denke hier kann ich es ein bis zwei Monate aushalten, um Geld für die Weiterreise anzusparen. Im Schnitt verdiene ich so nach Abzug der Steuern das doppelte dessen, was ich am Tag für Hostel und Essen ausgebe. Und von den Steuern kann man nach der Abreise wieder einen Teil zurückerstattet bekommen, vorausgesetzt man beißt sich durch durch Formulare zum Lohnsteuerausgleich.

Das einzige was mich stört sind die moralischen Gewissensbisse aufgrund der Hoki-Überfischung… was meint ihr? Würdet ihr persönlich dort arbeiten? Auch mal ganz abgesehen von der (für manche sicherlich ekligen) Arbeit an sich?

posted by czery in Nelson,Neuseeland,Work & Travel and have Comments (12)

12 Responses to “Endlich Fisch… ääääh, Arbeit!”

  1. Astridmami sagt:

    Natürlich würde ich das machen, 1-2-Monate. Aber dann… ich weiß nicht. Das mit der Überfischung ist zwar bitter, aber ich denke, die bekommen schon noch eins auf den Deckel. Irgendwann wird der Hokifang ganz geperrt, damit der Bstand sich erholen kann. Du als Backpacker kannst eh nichts tun. Da müssen andere ran. Oder Du gehst zum Tierschutz und engagierst Dich. Aber wenn Du die Arbeit nicht machst, macht sie ein anderer. Wie gesagt, 2 Monate. Was macht eigentlich Thomas? Ist der auch in der Fabrik?
    LG

  2. Katja sagt:

    Ich würd’s auch machen. Wie gesagt, du kannst an der Hoki-Sache erstmal nichts ändern.

  3. Robin sagt:

    erinnert mich irgendwie an „forrest gump“ …

  4. Vester sagt:

    Gratuliere zum Job. Jetzt kannst du Claudi auch mal selbst zum Pizzaessen einladen. 😉

  5. czery sagt:

    Ja, nur dass Claudi die Pizza 50% billiger bekommt 🙂

  6. czery sagt:

    Vielleicht sollte ich stattdessen lieber in irgendwas investieren, was mit „Obst“ zu tun hat 😀 (siehe Forrest Gump)

  7. Last Minute sagt:

    Sehr guter Artikel. Übrigens ist Dein Blog immer einen Besuch wert. Ich komme gern wieder hier vorbei.

  8. czery sagt:

    Vielen Dank… ich hoffe wir haben in nächster Zeit trotz Arbeit noch genug Zeit, Neues zu erleben, um darüber zu berichten 🙂

  9. Volker sagt:

    Ist doch OK. Jedenfalls werden die (freiwilligen) Überstunden extra bezahlt. Ob das später bei der Arbeit mit MySQL, PHP und Photoshop auch noch klappt? 😉

    Greetz from OG

  10. czery sagt:

    Wahrscheinlich nicht. Aber da ist dann hoffentlich der Stundenlohn bzw. das Jahresgehalt höher. Sonst such ich mir vielleicht doch noch ein anderes Spezialgebiet 😉
    Greetz an das Labor & -team

  11. Vester sagt:

    Was macht eigentlich der Dritte im Bunde? Auch Fischfabrik?

  12. czery sagt:

    Keine Fischfabrik. Thomas schreibt demnächst einen Beitrag über sein Treiben… man darf gespannt sein 🙂

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