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Erste Wwoofing-Erfahrung: harte Arbeit, gutes Essen, nette Leute

Harte körperliche Arbeit findet man in unserem Studium selten, außer es steht ein Filmdreh an, bei dem viele schwere Koffer mit Kameras und Licht durch die Gegend getragen werden müssen. Umso mehr Muskelkater, zerschundene Hände und schwere Knochen bekamen wir hier in Neuseeland nach einer Woche Wwoofing. Wwoofing ist die Abkürzung für „Willing Workers on Organic Farms“, also freiwillige Helfer für Bio-Farmen. Das Konzept gibt es in vielen Ländern der Erde, auch in Deutschland, aber in Neuseeland und Australien ist es wohl am weitesten verbreitet. Die Mitgliedschaft erwirbt man über den Kauf eines kleinen Buchs, in dem die teilnehmenden Farmen und die Arbeit kurz beschrieben werden. Das Buch kostet 40 Dollar und bedeutet die Mitgliedschaft für 2 Personen. Wir haben jedoch durch andere Wwoofer erfahren, dass da nie jemand nachfragt. In dem Buch stehen sowohl die Telefonnummern, als auch oft E-Mail-Adressen.

Da wir zu dritt sind, war das Finden einer Farm, die uns alle drei aufnimmt, gar nicht so leicht. Doch schließlich nach vielen Rückrufen klappte es nach einer Woche Aufenthalt in Nelson: Dougal und Helen, um die 40 Jahre alt, seit 2 Monaten verheiratet, nahmen uns in ihrem Haus für eine Woche auf. Die zwei haben zwar keine Farm, aber ein riesiges Grundstück inklusive eines Steilhangs, an dem sie versuchen, einen ursprünglichen neuseeländischen Urwald zu züchten.

Wir fuhren am frühen Sonntagnachmittag von Nelson eine kleine Strecke in Richtung Süden, an Richmond vorbei und eine Straße entlang, von der aus kleine Wege durch Felder zu den Hügeln führten, auf denen vereinzelt in der Landschaft Häuser verstreut waren. Einer dieser Wege führte uns zu einem kleinen Berg, auf dessen Kuppe Helens und Dougals beeindruckendes Haus steht. Helen ist Architektin. Sie hat dieses Haus zwar nicht selbst entworfen, aber gut ausgesucht. Anders als die meisten neuseeländischen Wohnhäusern ist es mehrstöckig, hat also ein Erdgeschoss und einen ersten Stock. Das Wohnzimmer geht jedoch über beide Stockwerke, hat also eine hohe Balkendecke, riesige Wände mit 1,5 Meter breiten Fenstern über fast die gesamte Höhe. Natürlich sind fast alle Fenster nur einfach verglast: Typisch für Neuseeland. Ich denke, im Winter darf es hier nicht so kalt werden. Die Wände sind nicht gedämmt und auch über den Deckenplanken kommt wahrscheinlich gleich das Blechdach – auch typisch für Neuseeland: Leichtbauweise mit dünnen Zwischenwänden und Blechdächern anstatt Ziegeln.

An der Seite des Wohnzimmers führt eine Treppe zu einer Art Terrasse innerhalb des Hauses hinauf. Hier befindet sich der Wohnbereich der Beiden. Wir bewohnen zwei Zimmer im hinteren Teil des Hauses, mit eigenem Bad. Die drei Couches im Wohnzimmer gesellen sich in U-Form um den Kamin herum. Sehr interessant ist auch, dass einige Balken des relativ neuen Hauses sehr alt sind. Es wurden zum Teil uralte ganze Baumstämme mit verbaut, die die neueren Balken stützen, so z.B. bei dem breiten Durchgang vom Wohnzimmer in die Küche. Dieser Querbalken hält im Moment um die hunderten Hochzeitsgrußkarten. Kleinigkeiten lassen die Einrichtungen des Hauses sehr modern wirken, wie z.B. der kolossale runde Spiegel über der Couch zwischen den zwei länglichen hohen Fenstern. Sein Rahmen besteht aus metallenen Schuppen, die an einen Propeller erinnern. Und auch das silberne Wellblech, das in der Küche und dem Bad verwendet wurde, lässt die Assoziation zu einem Flugzeughangar zu. Von der Badewanne in unserem Bad aus kann man das gesamte Tal überblicken. Die Aussicht ist berauschend, vor allem, wenn morgens der Nebel aus dem Tal langsam nach oben kriecht.

Gleich am Sonntagnachmittag zeigte uns Dougal, der aus einer Farmer-Familie stammt und ein außerordentliches Wissen über Pflanzen, neuseeländische Kultur und Weltgeschehnisse hat (er klärte uns darüber auf, dass die ganzen angepflanzten Wälder auf den Bergen gegenüber, die ich bereits in meinen Berichten erwähnt habe den Großteil der neuseeländischen Holzproduktion (Timber) ausmacht), wie unsere Arbeit in den nächsten 8 Tagen aussehen sollte. Die einheimischen kleinen Bäume, die die zwei mit Hilfe von Bekannten und anderen Wwoofern vor einiger Zeit angepflanzt haben, können sich nicht gegen die eingeschleppten Büsche und das Unkraut durchsetzen. Sie wachsen sehr langsam und ihnen werden durch die anderen Pflanzen das Licht und das Wasser geraubt. Wir schlugen uns also durch die Brombeerbüsche und anderen stichigen Pflanzen, rissen sie aus, schnitten sie ab und suchten auch nach den kleinsten Bäumen im dichten Dickicht. Die Arbeit ist knochenhart, aber man bekommt eine Art Glücksgefühl und persönliche Verantwortung für die armen benachteiligten einheimischen Kreaturen und einen Missmut auf die fiesen anderen Sträucher, die einem die Beine und Arme zerkratzen und sich mit ihren Wurzel so fest in der Erde verkrallt haben, dass man beim Versuch sie heraus zu ziehen seinen ganzen Körper gegen den steilen Hang stemmen muss und wenn sie schließlich nachgeben fällt man ab und zu eine Etage tiefer ins nächste stachlige Gebüsch.

Da ich wohl am zweiten Abend ziemlich geschafft aussah, bekam ich zum Teil andere Aufgaben, wie Holz umschichten und Unkraut auf flacher Strecke rupfen. Ich muss sagen, dass das nicht unbedingt leichtere Aufgaben sind, denn grad das Holztragen geht auf den Rücken und so ging ich doch wieder zurück auf die „Bank“ und half Dougal bei seinen Computersachen. Am Donnerstag wurden wir den Nachbarn ausgeliehen, einem älteren sehr netten, ehemals englischen Pärchen, Peter und Jenny. Ich hatte an dem Tag riesigen Spaß, denn ich durfte ein Quad fahren, das Laub, das die Jungs zusammen harkten aufsammeln und Baumtriebe beschneiden. Die Jungs lernten, wie man einen Baum bescheidet und wir wurden köstlichst bewirtet. Schon am Morgen gab es einen englischen Tee und frisch gebackene Muffins. Mittags folgten leckere Brötchen mit tollen würzigen Käse- und Wurstsorten und Obst. Nachmittag gab es wieder englischen Tee und Gebäck und abends toppte ein englischer Eintopf alles andere. Als Nachspeise gab es einen Auflauf aus Äpfeln und Feijoa (neuseeländische grüne Frucht, die wie eine Kiwi gegessen wird und einen intensiven kiwiähnlichen Geschmack hat). Anschließend zeigten die zwei uns noch ihre Hobbys: Jenny ist begeisterte Anführerin eines kleinen Quilt-Clubs. In diesem Club stellen sie sich gegenseitig Aufgaben, an denen sie ihre Fähigkeiten testen. Sie hat mit ihren Quilts schon einige Preise gewonnen und ich muss sagen: Die sehen auch wirklich modern und schön aus. Peter spielte mit den Jungs vierhändig Klavier, zeigte mir die ersten Griffe auf seinem Cello (mein Instrument, sollte ich mal eines lernen) und zeigte uns, womit er sich beschäftigt, wenn seine Frau grade näht: Eine riesige Modelleisenbahnstrecke in einem weiteren Gebäude. Er war früher Ingenieur und hat sich grad ein Macbook angeschafft. Die Modelleisenbahn ist keine gewöhnliche Strecke mit Häusern, Bergen, Lichtern, etc. Eigentlich fehlt die ganze Landschaft noch. Das beeindruckende ist das System dahinter. Er hat viele Sachen selbst programmiert und der ganze Aufbau ist ein Spiel mit Bahnhöfen, Kärtchen, Aufgaben, Lieferzetteln und Denkaufgaben. Am Abend spielten wir ein paar Stunden damit und es war wirklich anspruchsvoll.

Am nächsten Tag ging es wieder zurück auf die Bank von Helen und Dougal. Die zwei sind zurzeit sehr beschäftigt und wir machen uns die meisten Mahlzeiten selbst. Der Vorzug von Wwoofing ist, dass man die Kosten für Unterkunft und Essen einspart. Und das Essen ist weitaus besser als das, was man sich normalerweise als Backpacker so leistet. So sind viele Sachen „organic“, gesünder und schmecken auch besser. Natürlich ist das Essen hier in Neuseeland eine Sache für sich! Manchmal bekomme ich ein bisschen Angst, was die hier alles so hinein panschen dürfen, denn auf vielen Lebensmitteln steht, was diesmal hier nicht an Zusatzstoffen enthalten ist und ich denke mir dann immer: Oh Gott, auf was muss ich denn achten? Kann ich wirklich das billige Zeug kaufen, ohne an irgendetwas zu erkranken? Ich habe ab und zu Magenschmerzen und ich teste zurzeit, von welchem Produkt das kommen kann. Ganz weit vorne ist die Milch. Weizen hatte ich als erstes im Verdacht, denn das ist hier überall enthalten. Richtige Wurst und richtigen Käse, dachten wir, bis wir bei Peter und Jenny waren, können die Neuseeländer auch nicht, ganz zu schweigen von Brot, Joghurt, Kartoffeln und Quark (den gibt es anscheinend gar nicht). Hätten die Franzosen das Land als erstes besiedelt, hätte es wahrscheinlich ganz andere kulinarische Qualitäten und die Kurzzeit-Backpacker würden sich nicht ausschließlich von „Subways“ (preiswerte und relativ gesunde Sandwichkette) und „Starbucks“ (welterobernde überteuerte Kaffeekette mit Suchtfaktor) ernähren. Was wir von der Verpflegung her jedoch sehr schätzen, sind die Cookies und der Tee! Wie Irland und England gilt auch hier: Es gibt immer und überall guten Tee, auch in den Hostels ist er meist kostenlos und besser, als jeder Schwarztee, den es in Deutschland zu kaufen gibt.

Wir arbeiten 5 Stunden am Tag, sind aber eigentlich durch das Essenmachen und Abwaschen etc. den ganzen Tag über beschäftigt und abends meistens zu müde, um noch viel für den Blog zu tun. Heute, Samstag haben wir unseren einzigen freien Tag, waren auf dem Markt in Nelson und am weißen menschenleeren Strand etwas außerhalb auf Rabbit-Island. Der Markt hier in Nelson übertrifft den Markt in Christchurch bei weitem. Viele abwechslungsreiche Stände bieten alle möglichen in Neuseeland gefertigten Produkte aus Holz, Früchten, Blumen, Fleisch etc. Auch Dougal hat hier am Samstag seinen eigenen Stand, an dem er ein Kompostmittel verkauft und kleine Metallbote, die allein mit einer Kerze angetrieben fahren. Innerhalb der Woche hilft er neuseeländischen Jugendlichen mit Outdooraktivitäten wieder einen Bezug zur Natur zu bekommen und ihre Lebensplanung zu überdenken.

Also zusammengefasst kann ich sagen: Das anständige Essen, die bequeme Unterkunft und unsere netten Gasteltern sind die harte Arbeit wert und wir sind gespannt auf unsere nächste Stelle: Wir haben für die nächste Woche bereits eine Zusage von einer richtigen Farm ganz hier in der Nähe bekommen und wie der Zufall es so will (oder doch kein Zufall, wenn es nur 4 Millionen Neuseeländer gibt), kennen Dougal und Helen unsere nächsten Gasteltern. Helen hat sogar deren Haus entworfen. Sie ist Spezialistin für ökologische Häuser, auch wenn ihr eigenes so wenig isoliert ist. Die Farm versorgt sich fast selbst und ich hoffe inständig, dass wir keine Tiere schlachten müssen, auch wenn es die Jungs nach Fleisch verlangt, denn Dougal und Helen versuchen sich möglichst vegetarisch zu ernähren.

posted by cloudy in Nelson,Neuseeland and have Comments (4)

4 Responses to “Erste Wwoofing-Erfahrung: harte Arbeit, gutes Essen, nette Leute”

  1. Astridmami sagt:

    Hallo, die Nürnberger Stadtwurst ist ja das höchste! Ich hoffe, Ihr habt eine gegessen und an Jeres Geburtsort gedacht!!
    Viel Spass weiterhin und – trainiert nur kräftig Eure Muskeln!!

  2. Papa sagt:

    Hallo ihr Lieben, bringt mal bitte die Wurzel von Bild 24 für unsere Terrasse mit. Wenn zu schwer, geht auch ein Stück Holz von Bild 20. Wir sind immer begeistert von eurem Blog.
    Küsschen Gabi und Papa

  3. Stefan sagt:

    toller wwoofing blog!

  4. Karla sagt:

    Cooler Blog. Da bekomm ich aber wirklich richtig fernweh …

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